Unter der Rubrik “Handel und Gewerbe im Lützow-Viertel” sollen hier in den
nächsten Monaten sechs Unternehmen und Gewerbetriebe vorgestellt werden,
die sich ab 1830 im Lützow-Viertel niedergelassen haben. Die Langversion
der Geschichten können Sie im Kiez-Blog mittendran – Nachrichten für Tiergarten-
Süd lesen.
Prof. Dr. Paul Enck stellt uns heute die sechs Unternehmen kurz vor:
Zu den ersten Berliner Unternehmen, die sich jenseits des Landwehrkanals, damals noch auf Schöneberger Grund, ansiedelten, gehörte die Druckerei des Eduard Hänel (1804-1856), dessen Vater bereits in Magdeburg eine königliche Druckerei betrieb. Eduard Hänel aber revolutionierte das Druckereiwesen in Deutschland, indem er in England entstandene Techniken des Druckens weiterentwickelte und einer breiten Verwendung in der Buchdruck-Kunst zuführte; heute gilt er als wegweisend für die Drucktypen-Lehre.
Etwa zur gleichen Zeit wie Hänel siedelte sich auf der anderen Seite der Potsdamer Straße (Hausnummer 30) der Waggonbau-Betrieb des Heinrich Günther Jungbluth (1809-1882) genannt Einicke an. 1840 ließ Jungbluth auf dem weitläufigen Gelände hinter dem Elisabeth-Krankenhaus eine Fabrik für Eisenbahnwaggons bauen, die dem gerade erst entstehenden Bedarf nach solchen Fahrzeugen zu decken half: 1838 wurde in unmittelbarer Nähe die Berlin-Potsdamer Eisenbahnlinie eröffnet.
Waren die ersten Unternehmer vielleicht noch Pioniere, die sich das billige Bauland auf Schöneberger Boden für ihre Geschäfte zunutze machten, so waren ihre Nachfolger unter die Bodenspekulanten gegangen – einer davon war der Maurermeister und spätere Meiereibesitzer Carl Bolle (1832-1909). Carl Bolle kam 1864 zu einem großen Grundstück am Lützower Ufer 20 (heute: 31). Hier begann die Erfolgsgeschichte von „Bimmel-Bolle“, der innerhalb von wenigen Jahren die Produktion und den Vertrieb von Milch und Milchprodukten in Berlin und weit darüber hinaus revolutionierte.
Am südlichen Rand des Lützow-Viertels wurde 1885 eine Firma gegründet, die es innerhalb von kurzer Zeit zum Weltmarktführer brachte, indem sie einen flüssigen Klebstoff mit dem Kunstnamen “Syndetikon” erfand und patentieren ließ, der in wenigen Jahren und mit geschickter, witzig-moderner Reklame vermarktet, weltweit vertrieben wurde – dem “Uhu” von heute vergleichbar, aber nicht so gut riechend. Die Firma Syndetikon des Otto Ring (1853-1937) verlagerte 1896 die Produktion nach Friedenau, aber der Firmenpatriarch Otto Ring verblieb in der Blumenthalstraße.
Der Gewerbeschau von 1896 war eine sogenannte Kolonialschau angegliedert, und auf dieser machte erstmals das Kolonialhaus Bruno Antelmann (1857-1926) von sich reden, das wenig später in der Lützowstrasse 89/90 seinen Stammsitz nahm. Bis zum Ersten Weltkrieg war es der größte Importeur von Kolonialwaren aus aller Welt, vor allem aus den deutschen Kolonien Togo, Kamerun, Deutsch Südwest- und Deutsch Ost-Afrika. Bruno Antelmann verkaufte seine Firma 1911.
Etwa zu der Zeit, als das Milchimperium des Carl Bolle zu Ende ging (1909) und das Kolonialhaus des Bruno Antelmann strauchelt, begannt der Aufstieg des Möbelgeschäfts Karl Hübner (1882-1945): Im Jahr 1908 eröffnete der Tischlermeister Karl Hübner in der Steglitzer Straße (heute: Pohlstraße) eine Möbelhandlung, nachdem er zuvor an der Bülowstraße 61 eine Tischlerei betrieben hatten.
Die Landwirtsfamilie Hübner kam aus Schwerz (Saalekreis, 15 km nordöstliche von Halle) nach Berlin (Bild 5). Deren Geschäft ging durch Heirat 1935 in die Hände der jetzigen Besitzer über, die Familie Türklitz aus Brandenburg (Havel), die es noch heute betreiben.
Text: Prof. Dr. Paul Enck