“Nur wenige Uhrmacher wird es geben, insbesondere unter denen, die mit Schmuckwaren handeln, die nicht mit der Firma Lebram im geschäftlichen Verkehr gestanden haben…“ heißt es in der Uhrmacher Woche Nr. 1 von 1918.
Gemeint ist hier das am Ende des 19. Jahrhunderts von Richard Lebram gegründete Gold-, Silber- und Bijouteriewarengeschäft in der Scharrenstraße 5 in Berlin-Mitte. Was zunächst mit zwei Mitarbeitern begann, mündete nur 18 Jahre später in einem eigenen Geschäftshaus in der Wallstraße 15/15a, in das er mit 117 Mitarbeitern einzog. Im Berliner Branchenbuch von 1934 wurde das Unternehmen als größtes Haus der Branche beworben.
Lange Zeit deutete nichts darauf hin, dass der am 7. Mai 1866 als Kind einer angesehenen Kaufmannsfamilie in Berlin geborene Richard Lebram überhaupt Kaufmann würde. Nach Abschluss der Schulbildung am Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ begann er zunächst eine Lehre im Bankwesen. Nach erfolgreichem Abschluss arbeitete er mehrere Jahre in der “Darmstädter Bank”. Ob nur als Vorbereitung auf das Kaufmannsgeschäft gedacht oder ob ein Umdenken dazu führte, letztlich trat er mit 27 Jahren doch noch in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Kaufmann.
1893 gründet er mit seinen Ersparnissen sein Gold-, Silber-, Bijouteriewarengeschäft. Erstaunlich für diese Zeit ist, dass er sofort sein Unternehmen in der Fachpresse bewirbt und später auch Kataloge an potentielle Kunden verteilt. Sein ausgeprägter Geschäftssinn, seine schnelle Reaktion auf Marktbedingungen, seine Leistungsbereitschaft und Zuverlässigkeit, ließen sein Unternehmen immer schneller wachsen.
Um dem Wachstum und den damit einhergehenden erhöhten Platzbedarf gerecht zu werden, musste die Firma insgesamt dreimal umziehen. Von den anfänglichen 56 qm in der Scharrenstraße zog das Unternehmen 1897 in die doppelt so großen Geschäftsräume in der Neuen Grünstraße 25. Aber nur 3 Jahre später platzte die Firma schon wieder aus allen Nähten und ein weiterer Umzug in die Neue Grünstraße 16 mit über 500qm stand an. Weitere 4 Jahre später zog die Richard Lebram GmbH in die Neue Grünstraße 5-6, wo zuerst eine Geschäftsfläche von 750 qm und später durch die Anmietung einer weiteren Etage insgesamt 1500 qm bewirtschaftet wurde.
Der ständige Erfolg und die Expansion des Unternehmens, mittlerweile gab es auch Zweigstellen in Pforzheim und Schwäbisch Gmünd und die Richard Lebram GmbH exportierte in die ganze Welt, führte dann zum Bau eines eigenen Geschäftsgebäudes, dessen Fertigstellung im Jahre 1911 gefeiert wurde.
Wenn man heute in Berlin-Mitte, von der Leipziger Straße kommend, die Grünstraßenbrücke betritt, fällt der Blick unweigerlich auf das ehemalige Geschäftshaus der Firma Lebram in der Wallstrasse 15/15a. Die Pfeilerfassade des Hauses mit Muschelsteinverkleidung bietet einen monumentalen Eindruck, der von den hohen und breiten Fensterfronten zwischen den schmalen Pfeilern noch verstärkt wird. Bildhauerarbeiten von Richard Kühn, wie beispielsweise die Skulpturen am Haupteingang, verleihen dem Gebäude eine elegante Zierde. Bereits das Eingangsportal gibt Hinweise auf die Profession von Richard Lebram, mit den lebensgroßen Abbildungen von Peter Henlein, der Erfinder der Taschenuhr, sowie von Benvenute Cellini, der Meister der Goldschmiedekunst.
Dieses neue Gebäude im Zentrum des Berliner Großhandels war eines der modernsten seiner Zeit. Mit Fahrstühlen ausgestattet, sowohl für Lasten und Personen, einem 18 Stationen umfassenden Telefonnetz, Rohrpost im Hause und mit einer Zentralheizung steht es für die Fortschrittlichkeit seines Inhabers und wird zur Zentrale eines der größten Händler der Branche.
Ein weiterer, nicht unerheblicher Grund für den Erfolg des Unternehmens war, dass Richard Lebram sich auch stark um seine Mitarbeiter bemühte. Die damalige Fachpresse beschrieb ihn als wohltätig, so hatte auch sein eigenes Geschäftshaus in der Wallstraße Garderoben mit Waschgelegenheiten, sowie eine Kantine, wo Speisen zum Selbstkostenpreis abgegeben wurden. Richard wollte den Mitarbeitern die Gelegenheit geben, warme Mahlzeiten preiswert und von guter Qualität während des 8 ½ stündigen Arbeitstages einzunehmen. Es wurde auch eine Unterstützungskasse eingerichtet und die Mitarbeiter erhielten regelmäßige Gratifikationen.
Über seine Arbeit hinaus engagierte Richard Lebram sich in Vereinen, Verbänden und Ausschüssen um seine Branche zu vertreten. Im Deutschen Uhrenhandelsverband war er Mitglied seit seiner Gründung. Er gehörte dem Creditoren-Verein Pforzheim an und arbeitete in der Kriegsgemeinschaft des Berliner Edelmetallgewerbes mit. Auch dem Fachausschuss der Handelskammer Berlin trat er bereits in den 20er Jahren als Vertreter der Gruppe „Großhandel mit Edelmetallwaren“ bei. In den Steuerausschuss des Zentralverbandes des Deutschen Großhandels gewählt, setzte er sich vehement für die Abschaffung des Luxussteuergesetzes ein. Und selbst fachschriftstellerisch betätigte er sich mit Ausführungen über das Edelmetallgesetz und Rechtsfragen.
1926 findet sich die letzte Erwähnung der Richard Lebram GmbH in der “Uhrmacher-Woche”. Danach ist die Geschichte des Unternehmens nur noch anhand von wenigen Spuren nachzuvollziehen.
Dass es sich bei der Richard Lebram GmbH um ein jüdisches Unternehmen handelte, geht aus den jüdischen Adressbüchern hervor, in denen Richard Lebram wohnhaft in der Hertastr. 4 in Grunewald zwischen 1929 und 1933 verzeichnet ist. Unter der gleichen Adresse taucht im Berliner Adressbuch von 1935 erstmals Jürgen Lebram auf; die eingetragene Berufsbezeichnung lautete Geschäftsführer. Wahrscheinlich war Jürgen Lebram der Sohn von Richard Lebram und trat ab 1935 in das Geschäft des Vaters mit ein. Laut Berliner Adressbuch war das Geschäftshaus in der Wallstraße 15/15a ab 1935 im Eigentum der Mez AG, deren Hauptsitz sich in Freiburg i. Breisgau befand. Die Richard Lebram GmbH verlegte im selben Zeitraum ihr Unternehmen zum Spittelmarkt 8-10.
Das Privathaus in Grunewald bleibt bis Ende des Krieges im Besitz der Familie Lebram. Ab 1940 ist Jürgen Lebram als Eigentümer der Hertastraße 4 im Berliner Adressbuch eingetragen, wohnt aber selbst in der Karlsbader Straße 12 b. Richard Lebram taucht im Berliner Adressbuch ein letztes Mal 1938 auf. Das, und der Umstand, dass er nicht mehr als Geschäftsführer in den späteren Jahren in Erscheinung trat, deutete auf den Tod Richard Lebrams in diesem Jahr hin.
In einer “Richtigstellung” vom Oktober 1938 erklärte die Firma „Geschäftsleitung wie Geschäftsanteile befinden sich in rein arischen Händen.“ 1942 wandelte sich der Namen des Unternehmens in „Lebram & John GmbH“ um. Geschäftsführer waren zu dieser Zeit Jürgen Lebram, Paul John und Werner John. Auch im letzten Berliner Adressbuch von 1943 wurde die Firma erwähnt.
1950 endet dann zumindest die Berliner Geschichte der Lebram & John GmbH. Als alleiniger Geschäftsführer lässt Jürgen Lebram den Umzug der Firma nach Pforzheim in das Handelsregister eintragen. Werner John hat inzwischen das Geschäft seines Vaters übernommen und die Geschichte von Paul John ist nicht mehr nachzuvollziehen.
Dass die Richard Lebram GmbH die Zeit des Nationalsozialismus überlebte, grenzt an ein Wunder, insbesondere, wenn man bedenkt, dass in Berlin unter der Regierung der Nationalsozialisten systematisch die Zerstörung des jüdischen Gewerbes betrieben wurde. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie es verstanden hat glaubhaft als arisches Geschäft zu gelten.
Was uns geblieben ist, ist das Haus in der Wallstraße und die Erfolgsgeschichte der Firma Richard Lebram Anfang des 20. Jahrhunderts!
Text: Marcel Kanis
[…] liebe Leser unseres Archivspiegels können sich vielleicht noch an den Beitrag über die Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung Richard Lebram erinnern, den wir 2017 veröffentlicht haben. Damals haben wir uns gewundert, dass das jüdische […]
[…] Als Wirtschaftsarchiv haben wir häufig Anfragen, die damit beginnen: „Meine Großeltern hatten um die Jahrhundertwende ein Unternehmen in Berlin. Ich benötige darüber Informationen. Können Sie mir da weiterhelfen?“. Damit stand auch schon das Thema fest, nämlich die Verknüpfung von Unternehmensgeschichte mit Familiengeschichte am Beispiel der „Berliner Gold-, Silberwaren- und Uhrengroßhandlung Richard Lebram“. […]
mein man ist der sohn von jürgen lebram und hat noch vieles interessantes zu erzählen über diese familie
hertastrasse 4 war den bedienstete eingang, haupteingang war auf den bismarckalle
Eine sehr interessante Darstellung eines Berliner Unternehmens; es gibt nur so wenige Informationen über die vielen Juweliere und Goldschmiede, die einst in Berlin ansässig waren. Ein sehr wichtiger Beitrag für die Unternehmensgeschichte dieser Sparte.
Ich werde mir erlauben, meine Kolleginnen in Schwäbisch Gmünd und Pforzheim darauf aufmerksam zu machen.