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Meine erste Woche mit den Geschäftsberichten

Nach einer Woche im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv habe ich bereits so einiges gelernt; wie man die Datenbank AUGIAS verwendet, wie man Akten ordnet und wie man sie verdichtet oder wie man Sammlungen und Bestände erschließt. Während das Erschließen der Akten und das Dokumentieren in der Datenbank reine Schreibtischjobs sind, ermöglicht das Ordnen, Umräumen und Verdichten ein wenig Bewegung im sonst sehr ruhigen Archivalltag.

Die meiste Zeit habe ich mich in der letzten Woche mit dem Erschließen von Geschäftsberichten für die Sammlung S2/06 beschäftigt. Hier habe ich Berichte von den 1940ern bis in die frühen 2000er hinein erfasst. Besonders interessant fand ich dabei die älteren Dokumente, aber auch die Entwicklung der Geschäftsberichte von damals bis (fast) heute war sehr spannend. So lässt sich eine klare Entwicklung von den dünnen Heften der 1940er und 1950er Jahre über umfangreichere Mappen bis hin zu den gebundenen, ausführlichen Prospekten der 1990er und 2000er Jahre erkennen. Während ältere Berichte noch teilweise auf ein oder zwei Seiten Platz finden, sind es zum Ende des Jahrhunderts üblicherweise bereits 30 Seiten oder mehr. Und erscheinen bis in die 1960er Jahre noch regelmäßig Todesanzeigen in den Berichten, so fehlen diese persönlicheren Noten gegen Ende des Jahrhunderts vollkommen. Schlichte, kurze Berichte auf ein bis zwei Seiten weichen langen Artikeln über die Geschichte oder Philosophie des Unternehmens. Buzzwords wie „Dynamik“, „Innovation“ oder „Vision“ sind zu finden. Auch mit inspirierenden Zitaten kann man ab den 2000er Jahren rechnen.

BBWA S2/06/5183

Anhand auf den ersten Blick so nüchterner Berichte lässt sich die Geschichte eines Landes aber doch sehr eindrucksvoll nachvollziehen. Zahlreiche DM-Eröffnungsbilanzen, datiert auf den 21. Juni 1948, werden mich den Zeitpunkt der Einführung der Währung wohl nicht mehr vergessen lassen. Drei Abweichungen von diesem Datum erzählen die Geschichten Berliner oder ostdeutscher Unternehmen, die aufgrund der doppelten Währungen in der Stadt oder des Umzugs in den Westen erst im folgenden Jahr ihre Eröffnungsbilanzen zogen. Die Hakenkreuze und Erinnerungen an gefallene Soldaten in den Berichten von 1943 weichen Schilderungen von Kriegsschäden und Wiederaufbau in den Berichten der späten 40er und frühen 50er Jahre.

Andere historische Ereignisse glänzen jedoch durch Abwesenheit. Der Mauerfall und auch die Wiedervereinigung haben kaum merkliche Spuren hinterlassen. Die einzigen Indizien sind Geschäftsberichte von in Ostdeutschland angesiedelten Firmen, die ab den frühen 1990ern vermehrt vertreten sind.

Ich fand die Sammlung insgesamt sehr interessant und freue mich schon, in den nächsten Wochen noch viele weitere Sammlungen und Bestände kennenzulernen. Ich hoffe, mich besonders mit älteren Dokumenten auseinandersetzen zu können und das Archivieren dieser zu erlernen. Auch auf andere Aufgabenbereiche wie die Recherche freue ich mich.

Leevke Hellebrandt

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