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Das Druckgewerbe in Berlin – Die Verlagsdruckerei Merkur GmbH

Den ersten Einblick in die Verlagsdruckerei Merkur GmbH hatte ich in Form einer Anzeige aus dem „Wegweiser für das Druckgewerbe und die papierverarbeitende Industrie Groß-Berlins“ von 1948. Mit Adressbüchern und Handelsregistern habe ich schließlich weiter recherchiert, bis es mir lokal nicht mehr möglich war und ich die Recherche auf Bestände aus dem Landesarchiv Berlin ausweiten musste.

Anzeige von 1948 (Quelle: BBWA B313/2014)

Die Verlagsdruckerei Merkur GmbH wurde am 05.10.1898 von den Brüdern Leopold und Gustav Rödiger als Buch- und Steindruckerei mit Sitz in der Köpenicker Straße 48/49 gegründet. Seit 1923 war das Unternehmen auch in der Neanderstraße 4, heute Heinrich-Heine-Straße ansässig. Bis zu einem Beschluss am 08.09.1924, nach welchem auch Gustav zum Geschäftsführer berufen wurde, war Leopold vorerst der einzige Geschäftsführer des Unternehmens.

Ab dem 30.12.1919 wurde auch Leopolds Sohn Werner, welcher zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, Gesellschafter und später auch fester Angestellter im Unternehmen. Zumindest bis es nach 5 Jahren zu Familienstreitigkeiten aufgrund einer Affäre seines Vaters und deren Scheidung kam und Werner 1925 schließlich wegen sträflicher Vernachlässigung seines Dienstes im Unternehmen fristlos gekündigt wurde und seine Anteile am Unternehmen an die Druckerei übergingen.

Briefkopf von 1903 (LAB A Rep. 342-02)

Eine langjährige Sekretärin Leopolds, Auguste Neumann, übernahm am 21.04.1932 folgend die neue Rolle als dritte Geschäftsführerin und gründete mit den Brüdern die Firma „Neanderhof GmbH“ auf dem Grundstück der Neanderstraße 4, welche den neuen Zweck hatte, das große Grundstück zu verwalten. Als am 13.05. desselben Jahres Gustav verstarb und seinem Bruder sein gesamtes Erbe hinterließ wurde Frau Neumann kurzerhand aus ihrem Amt als Geschäftsführerin abberufen, was Leopold wieder zum alleinigen Geschäftsführer machte.

Leopold und Werner schienen sich durch den Verlust wieder anzunähern, da Werner im September desselben Jahres zusammen mit Frau Neumann wieder Geschäftsanteile erhielt. Am 03.03.1936  lösten schließlich alle drei Gesellschafter die GmbH als solche einstimmig auf. Das gesamte Eigentum des Unternehmens einschließlich der Grundstücke und Gerätschaften ging damit auf Leopold über. Werner zog zu dieser Zeit nach Offenbach am Main, wo er später mit seiner Frau einen eigenen Betrieb führte.

Vignette von 1944 (LAB A Rep. 005-07)

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Fabrik-gebäude zweimal, zum ersten Mal Ende 1943, dann Januar 1944, von Spreng- und Brandbomben getroffen. Das Ergebnis waren schwere Schäden an den Gebäuden und die Zerstörung von Geräte, Maschinen und des Lagers. Der Schaden, allein für die Fliegerschäden der ersten Bombe 1943, betrug 421.273,98 Reichsmark. Als kriegswichtiger Betrieb erhielt die Verlagsdruckerei staatliche Geldmittel für den Einkauf von Roh- und Hilfsstoffen, die Ergänzung ihrer Papiervorräte und um Maschinenersatzbesorgungen zu tätigen. Auf Wunsch der Behörden verlagerte die Verlags-druckerei schließlich ihre Briefumschlagabteilung vollständig nach Malmedy (Belgien) zur Firma Steinbach & Co. und die Verdunkelungsabteilung unter der Firma Merkuranker zu 50% nach Remisch in Luxemburg.

Werner erbte das Unternehmen nach dem Tod seines Vaters und 1952 wurde das Unternehmen schließlich von Behörden der DDR enteignet, aber noch weiter als Druckerei betrieben.

Werner verstarb am 11.09.1965 und hinterließ seiner Alleinerbin, Witwe Alice Rödiger, die Druckerei, für welche er trotz Enteignung der Firma in Ost-Berlin trotzdem noch eingetragener Inhaber im Handelsregister war. Schon wenig später nutzten Mitarbeiter des Unternehmens an sie ausgestellte Prokuren aus, um Geräte und Maschinen im Namen ihres Mannes aus dem Betrieb in Ost-Berlin ohne Mitwissen der neuen Eigentümerin nach West-Berlin zu schicken. Alice Rödiger sah sich durch die Nichtkooperation der betreffenden Mitarbeiter gezwungen, einen Antrag zu stellen, um die Prokuren aus dem Handelsregister löschen zu lassen, dem schließlich am 19.02.1968 stattgegeben wurde. Die Firma verblieb auf Geheiß der Inhaberin hiernach weiterhin im Handelsregister.

Text: Max Schwabe

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