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Knister, knister – ein elektrisierender 28. Industriekulturabend

Heute geht es um Kohle. Nicht um die, die klimpert und raschelt, sondern um die, die poltert und staubt – und Strom erzeugt. »Kohle, Koks und der Kalte Krieg in Berlin: Abhängigkeiten und Vermächtnisse«, das ist der Titel des ersten Industriekulturabends 2023.

Steinkohle und Braunkohle sind Grundlage für die Stromerzeugung im ausgehenden 19. Jahrhundert. Für Berlin – weil am nächsten gelegen – ist die Lausitz mit ihren Braunkohlerevieren von großer Bedeutung. Und der Energiehunger ist groß, genauso groß wie die Innovationen, die die Elektrizitätswirtschaft revolutionieren. Neben den Fabriken, die eigene Kraftwerke brauchen, um ihren Strombedarf zu decken, kommen Eisenbahnen und Straßenbahnen hinzu und nicht zuletzt die steigende Zahl Privathaushalte.

Schematische Darstellung der Elektrizitätserzeugung au der Braunkohle (1929)

Schematische Darstellung der Elektrizitätserzeugung au der Braunkohle (1929)

Der Abend startet mit dem Vortrag von Dr. Hubert Staroste vom Landesdenkmalamt Berlin. Er scheint jedes Kraftwerk persönlich zu kennen. Wann welches wo und mit welcher Kapazität gebaut wurde. Und vor allem von wem. Er stellt heraus, dass Gebäude wie Kraftwerke eine neue Form der Architektur erforderten, die erst einmal getestet werden musste. Welche Anlage steht wo, was sind die kürzesten Wege, welchen Spielraum braucht es bei der Beschickung und Bedienung? Um die Energie der Kessel am besten zu nutzen, wurden verschiedenen Anordnungen ausprobiert. Erst im Kleinen, in den Verteilerstationen, dann in den großen Kraftwerken. Der Dreiklang aus Kesselhaus, Turbinenhalle und Schaltstation hat sich bis heute erhalten.

Kraftwerk Steglitz - Maschinenhalle (Foto: B. Berghausen/BBWA)

Kraftwerk Steglitz – Maschinenhalle (Foto: B. Berghausen/BBWA)

Auch interessant: Heute werden ungefähr zehn Prozent des Budgets z.B. einer Umspannstation für das Gebäude aufgewendet, der Rest fließt in die technischen Anlagen. Früher waren es bis zu 25 Prozent. Das sieht man an den Gebäuden und ihrem Zustand. Auch nach hundert Jahren steht z.B. die ehemalige Maschinenhalle des Kraftwerks Steglitz immer noch da – und erscheint und heute als „schmucke Fassade“. Der Vorteil war, dass die Anlagen, die ehemals für die Produktion des Gleichstroms verantwortlich waren, umgerüstet werden konnten für die Verteilung des Wechselstroms und so erhalten blieben.

Im zweiten Teil des Abends wirft Prof. Dr. Timothy Moss vom Projekt IRI THESys an der Humboldt-Universität einen Blick auf die Nachkriegszeit in Berlin. Glücklicherweise hatte sich das neu entstandene Groß-Berlin Anfang der 1920er Jahre erfolgreich gegen eine Fernversorgung gewehrt, die im Ruhrgebiet gern gesehen gewesen wäre. Wie sich herausstellte, war dies die richtige Entscheidung. Durch die Blockade Berlins 1948/1949 war die Versorgung von heute auf morgen unterbrochen. Ein knappes Viertel der Energie-Infrastruktur hatte den Krieg überstanden und Kohle bildete einen Anteil von knapp 70 Prozent an allen eingeflogenen Gütern während der Luftbrücke – reichen tat es trotzdem nicht.

Zu einer ähnlichen, aber in der Konsequenz unterschiedlichen Situation kam es mit der zunehmenden Isolierung West-Berlins durch den Bau der Mauer. Die Stadt wurde als im wahrsten Sinne leuchtendes Beispiel für die Energiepolitik herangezogen. Erst zunehmende Proteste der Umweltbewegung ab den 1970er Jahren gebot der Förderung und Verherrlichung des Stromkonsums Einhalt. Einige Kraftwerke sind heute noch in Betrieb; schwierig mit Blick auf die Luftverschmutzung, praktisch mit Blick auf die Kraft-Wärme-Kopplung, die die Versorgung mit Fernwärme ermöglicht. Der Strom kommt jedoch zu 100 Prozent von außerhalb.

Der Abend schließt wie immer mit Brezel und Getränk und ganz dunkel ist es auch noch nicht, als sich die Gäste wieder auf den Heimweg machen. Der Rückweg mit Straßenbeleuchtung, U-Bahn und Fahrstuhl macht bewusst, wo überall der Strom drinsteckt.

Text: C. Ehrenfeld

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